Exkursion: Zu Gast bei Willi Kolleger

17. Mai 2015 - Alle Blog-Einträge anzeigen -

Die Buchdruckerei Kolleger ist ein ganz besonderer Ort. Wir haben das Vergnügen, in Herrn Kollegers Welt in der Oberen Viaduktgasse in Wien-Landstraße einzutauchen. Gern soll er ein wenig aus dem Nähkästchen plaudern. Und wir haben Text mitgebracht, den wir in Form von gegossenen Bleizeilen mit nach Hause nehmen wollen, um ihn in unserer eigenen Werkstatt auf dem Tiegel zu Papier zu bringen. Aber eins nach dem anderen.

Willi Kolleger ist gelernter Schriftsetzer und war von 1975 bis 1982 Betreiber einer Lohnsetzerei, zu seinen besten Zeiten mit vier Angestellten im Schichtbetrieb. In der Blütezeit der Schriftsetzerei war der Verkauf von Bleizeilen an Druckereien ein lukratives Geschäft. Bis neue Technologien kamen und die Lohnsetzerei zum Auslaufmodell wurde. Mittlerweile ist Herr Kolleger in Pension, dem Drucken und Setzen zum Glück aber treu geblieben. Auf Wunsch stellt er im Bleisatz und Buchdruck Drucksorten wie Visitenkarten oder Einladungen her. Und er freut sich über Besuch.

Die Werkstatt ist eine Augenweide! Setzkasten reiht sich an Setzkasten, unzählige Laden sind reichlich bestückt mit verschiedenen Handsatzschriftarten, Holzschriften und Druckformen. Als Bleisatz und Buchdruck abgelöst wurden, fanden allerlei Kostbarkeiten in Willi Kollegers Werkstatt ein neues Zuhause. Aus der ehemaligen Lohnsetzerei wurde eine richtige „Bleiburg“, wie auf Kollegers Internetseite zu lesen ist.

Es gibt Regale mit allerlei Druckerei-Materialen, Papier, Farbtöpfen und allen möglichen Gerätschaften. Kein Zentimeter ist ungenutzt, alles hat seine Ordnung. Und es riecht so gut – ich mag Werkstattgeruch! – nach Maschinen, Metall, Farbe, nach Handwerk. Auch ein Original Heidelberger Tiegel steht da und leistet gute Dienste. Und schließlich sind da noch – deswegen sind wir hier – zwei mächtige Linotype-Setzmaschinen: eine Linotype-Gamma und eine Quadriga.

Wir dürfen uns Schriftart und -größe aussuchen. Dann wird nicht lange gefackelt und schon sitze ich hinter der Tastatur der Quadriga – ich bin aufgeregt! –, um unter Herrn Kollegers wachsamen Augen den Text einzugeben. Auf der Tastatur tippe ich die gewünschten Buchstaben an. Die Tastatur der Setzmaschine ist mit der eines Computers nicht vergleichbar. Die Tasten sind nach Häufigkeit angeordnet. Je Kleinbuchstabe und Großbuchstabe, für Kombinationen wie „ck“ oder „ch“ und Zahlen gibt es jeweils eine eigene Taste. Macht in Summe 90 Anschläge.

Je Anschlag fällt eine Matrize, die Gussform aus Metall, mit einem hellen, metallischen Klang aus dem Magazin, das alle Buchstaben/Zeichen enthält und zuvor von Herrn Kolleger in die Setzmaschine eingespannt wurde. Stück für Stück werden die Matrizen im Sammler zur Zeile aneinandergereiht. Kontrolle, Korrektur – und weiter. Als die Wunschzeile fertig ist – noch einmal Kontrolle!  –, darf ich sie „abschicken“, wie Herr Kolleger sagt. Der Mechanismus des Gießens wird in Gang gesetzt. In die Maschine ist eine hohe, schmale „Wanne“ integriert, in der ein Rohling aus einer Bleilegierung (85 % Blei, 11 % Antimon und 4 % Zinn) auf ca. 300 °C erhitzt und geschmolzen wird. Die Matrizenzeile wird in der Maschine mit dieser Bleilegierung ausgegossen. Es ruckelt, Zahnräder greifen ineinander. Sekunden später fällt die fertige, noch warme Zeile – a line of types – aus der Setzmaschine. So entsteht schön langsam und hochkonzentriert Zeile für Zeile.

Nach dem Gießen werden die Matrizen dank eines faszinierenden, ausgeklügelten Systems ins Magazin zurückbefördert, um auf ihren nächsten Einsatz zu warten. Herr Kolleger schmilzt die Bleizeilen – sofern keine Wiederverwendung in Aussicht ist – im werkstatteigenen Schmelzofen zu „neuen“ Rohlingen ein. Unsere Bleizeilen dürfen wir freilich mitnehmen.

Erfunden wurde die Linotype-Setzmaschine von Ottmar Mergenthaler. Hat man diese Maschine in Aktion gesehen, ist es wenig überraschend zu hören, dass Herr Mergenthaler Uhrmacher war. Präzise wie ein Uhrwerk – diese Formulierung trifft 100%ig auf Funktionsweise und Mechanik der Linotype-Setzmaschine zu.

Vielen Dank, Herr Kolleger, dass Sie sich Zeit für uns genommen haben. Der Besuch bei Ihnen war eine wahre Freude, bereichernd und beeindruckend. Wir kommen wieder!

Hier gibt´s noch ein paar Fotos und ein Video:

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