Medienecho: Presse am Sonntag

19. Juni 2016 - Allgemein -

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„Was wir machen, war früher verpönt“

19.06.2016 | von Eva Winroither (Die Presse)

Sie drucken Schriften tief ins Papier und lassen damit das Herz von haptisch orientierten Menschen jubeln. Mit ihrem Original Heidelberger Tiegel verschaffen Schöndruck Letterpress einem alten Handwerk wieder neue Anerkennung.

Der schönste Moment ist für die beiden, wenn sich die Maschine in Bewegung setzt. 1,1 Tonnen fangen dann zu arbeiten an. Rohre und Hebel beginnen sich zu bewegen, kleine Greifarme heben das Papier und drücken es auf die Form. Laut ist die Maschine, aber sie klingt fein – ein leichtes Schmatzen und Pfeifen, ein bisschen wie eine Dampfmaschine, nur ohne Dampf. Das schwarze Metall glänzt, als gehöre es zu einem gut in Schuss gehaltenen Oldtimer. Und irgendwie stimmt das auch. Die Maschine, die vor Martin Brandhofer und seiner Partnerin Conny Vrbicky steht, ist ein Original Heidelberger Tiegel. Eine Buchdruckmaschine aus dem Jahr 1964, also knapp 52 Jahre alt.

Vor zwei Jahren haben Martin Brandhofer und Conny Vrbicky das erste Mal mit ihr gedruckt. Letterpress ist Prägen mit Tiefgang. Es boomt seit fünf Jahren in Österreich so richtig. In Farbe (oder auch ohne) wird auf Papier so fest gedruckt, dass die Schrift tief ins Papier gestanzt wird. Ein Fest für jeden Haptiker, wenn er mit dem Daumen darüberstreicht.

Druck auch auf Servietten. Haptisch geht es auch in der kleinen Werkstatt von Schöndruck Letterpress in der Mollardgasse zu, wo der 1,1 Tonnen schwere Tiegel („Bei dem Gewicht überlegst du dir ganz genau, wo du die Maschine hinstellst“, O-Ton Brandhofer) schön sichtbar an der Wand steht. Die kleine Werkstatt befindet sich in der Mollardgasse 85A – hier sind noch andere Kreativbetriebe beheimatet. Diesen Ort als Büro haben sich die beiden schon immer gewünscht. Zwei- bis dreimal im Jahr habe sich Brandhofer Jahre vor dem Bezug der Werkstatt bei der Hausverwaltung gemeldet– bis diese schließlich grünes Licht gab. Es sei ein Platz frei.

Auf dem Tisch neben der Druckerpresse liegen die verschiedene Drucksorten, z. B für Aufträge, die die beiden schon erledigt haben. Da gibt es Hochzeitseinladungen, die wie eine Postkarte vorn und hinten bedruckt sind. Die eingeprägten Schriften sind meist rot oder blau, manchmal auch grün. Daneben gibt es Visitenkarten, andere Einladungen, Etiketten, sogar eine Serviette haben die beiden schon mit einem Tigerkopf bedruckt. „Wir wollten wissen, ob das geht“, erklärt Vrbicky.

Ausprobieren und sich an den Produkten erfreuen– für die beiden ist das Arbeit und Hobby zugleich. Ihre Druckerpresse werfen die beiden nämlich nur im Nebenjob an. Auch wenn sich die Leidenschaft für Gedrucktes durch ihr ganzes Leben zieht. Sie ist Lektorin für Magazine und macht die Untertitel für Gehörlose beim ORF. Er ist für die Produktion der Magazine des Red Bull-Media House zuständig. Den Wunsch, so eine Maschine zu besitzen, hegten die beide daher schon lange. Brandhofer hat auf der Grafischen seinen Abschluss gemacht und noch gelernt, mit solchen Maschinen umzugehen. Die Matura kommt einer Lehrabschlussprüfung gleich. Gautschen inbegriffen. Das ist ein alter Buchdruckerbrauch, bei dem ein Lehrling nach bestandener Prüfung in Wasser- und Farbbottiche getaucht und mit Schwämmen bearbeitet wird. „Damit wurden auch die Sünden aus der Lehre abgewaschen“, erzählt Vrbicky. Brandhofers Gautschurkunde hängt jedenfalls gut sichtbar (inklusive einem Stück Schwamm) und mit Wachs besiegelt an der Wand.

Ein Angebot auf Ebay. Trotzdem sollte es noch Jahre (und Abstecher in Druckereien und Werbeagenturen) dauern, bis die beiden zu ihrer Druckerpresse kommen würden. Vor knapp drei Jahren fanden sie schließlich ein nicht ausschlagbares Angebot auf Ebay. Die Maschine war zwar billig, aber in was für einem Zustand. „140 Putzstunden haben wir investiert. Wir haben geputzt wie die Irren“, erinnert Vrbicky sich. Die Maschine kam de facto in alle Einzelteile zerlegt, musste gesäubert und neu aufgebaut werden. All das haben sie mit Fotos dokumentiert.

Jetzt steht der Tiegel so sauber und in Schuss im Raum, als wäre er neu. „Sogar der Mitarbeiter der Firma, die uns beim Aufbauen geholfen hat, hat gemeint, so einen sauberen Tiegel habe er schon lange nicht mehr gesehen“, erzählt Brandhofer. Einmal die Woche nehmen die beiden nun im Schnitt einen Auftrag entgegen. Die Layouts bringen die Leute teils selber mit, teils machen sie sie am Computer.

Dann wird das Papier ausgesucht, dann die Farbe. Jede neue Farbe bedeutet, das Papier neu einzuspannen. Mit gewaltigem Druck wird die Farbe schließlich auf das Papier gepresst, sodass die typische tiefe Prägung entsteht, die mittlerweile alle entzückt – und die früher alles andere als beliebt war. „Was wir jetzt machen, war früher verpönt. Die Farbe durfte das Papier nur küssen“, erzählt Brandhofer. Und wenn sich auf der Rückseite das Papier doch durchwölbte, hieß es gleich: „Wir drucken ja nicht für Blinde.“

Das Papier nur küssen. Heutzutage stört das keinen mehr, oder das Papier wird so dick ausgewählt, dass sich nach hinten nichts mehr durchwölben kann. Wenn die beiden sprechen, dann schwingt auch immer Bewunderung für das alte Druckerhandwerk mit. „Das waren echte Künstler“, sagt Brandhofer. Die Bleibuchstaben richtig einzusetzen, sodass sie gleichmäßig druckten, dazu brauchte es echtes Wissen und Geschick. Mit Bleilettern arbeiten die beiden freilich nicht. Sie verwenden eine Metallplatte, bei der die Druckform mit Licht in Kunststoff ausgehärtet wird. Dann wird das Ganze in die Maschine eingespannt, der große Hebel wird betätigt. Vrbicky stellt sich vor die laufende Maschine und blickt die Hebel und Räder an, die auf und ab gehen: „Die Maschinenbauer waren echte Genies“, sagt sie. Im Gegensatz zu Brandhofer, der den Buchdruck in der Schule gelernt hat, habe sie „alles, was das Thema betrifft, aufgesogen wie ein Schwamm“.

Mittlerweile kennen die beiden jede Schraube, jeden Hebel auswendig. Freilich auch wegen des Putzens, sagt Vrbicky und lacht. Das Papier, das sie verwenden, kommt sowohl aus Österreich als auch als Deutschland. Spannend finden die beiden immer, wenn die Kunden mit einer Idee kommen und sich dann vor Ort umentscheiden. „Da wird dann aus einer zusammenfaltbaren Einladung plötzlich eine Karte“, sagt Vrbicky. Die Haptik ist schuld. Der Preis variiert, abhängig von Stückzahl, Papier, Format und Anzahl der Farben. Die Maschine selbst, sagt Vrbicky, sei an sich nämlich pflegeleicht. „Die wird uns überleben“, fügt sie hinzu. Solche Maschinen seien für die Ewigkeit gemacht.

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